nichtswieweg... vier Abenteurer unterwegs

Marokko - Gran Canaria
Blog vom 01.02.2015, Las Palmas (Gran Canaria)
Reise-Highlights: Rabat, Salé, Schweiz, Gran Canaria

Hier sind wir wieder! Wer dem letzten Blog gefolgt ist, und etwas zwischen den Zeilen gelesen hat, wird wohl gemerkt haben, dass unserer Weiterreise etwas Wichtiges im Weg steht…

Rabat, und was wird jetzt aus unserem Captain?

Charon ist eigentlich bereit für unsere erste grosse Passage im Atlantik nach Gran Canaria. Ich habe als verantwortungsbewusste „Smutje“ meinen Auftrag ernst genommen und so viel vorgekocht, dass wir wohl locker noch ein Dutzend Blinde Passagiere hätten mitführen können. Guter Dinge nehmen wir uns also vor, in den nächsten Tagen abzulegen, checken Segel und Maschine.

Doch die Aussichten sind düster. Dem Captain geht’s wieder schlechter. Starker Husten, Grippesymptome, Fieber… wird denn das nie besser, fragen wir uns. Wieder suchen wir uns ärztliche Hilfe. Diesmal geht’s direkt zu einer Lungenspezialistin… wenn man das so nennen darf ins Stadtzentrum in Rabat. Nach 5-minütiger Untersuchung folgt die Hiobsbotschaft: Infektion in der Lunge, es sei ganz sicher Asthma… Weitere Untersuchungen sollten gemacht werden, um den Auslöser zu finden. Soll das das Ende unserer Reise sein??

Mit einer prall gefüllten Tasche Medikamente deren Beipackzettel in Arabisch sehr viel Vertrauen erwecken, verkriecht sich der Captain vorerst in die Koje. Doch das Fieber steigt stetig und es kommen unbekannte Schmerzen dazu. Die Entscheidung fällt darum schnell: Wir brechen unsere Reise ab und suchen in der Schweiz ärztliche Hilfe. Ob und wann die Reise weiter gehen soll, ist erst mal ziemlich unwichtig.

Reiseunterbruch, wir fliegen in die Schweiz

Leider hätten wir uns keinen unpassenderen Ort aussuchen können, an dem wir unsere Charon „zwischenlagern“ dürfen. Während der Captain dick eingepackt in die Bettlaken schwitzt, versuche ich mich durch das bürokratische Radwerk des marokkanischen Zolls zu kämpfen. Die Stempel haben mittlerweile ein unübersichtliches Ausmass angenommen. Das sagenumwobene Formular D612 muss etliche Male unterschrieben, visiert, gestempelt und dupliziert werden. Wer sich an eine Episode aus dem bekannten Zeichentrickfilm „Asterix erobert Rom“ erinnert, indem eine der zwölf Prüfungen darin besteht, in „dem Haus, das Verrückte macht“ den Passierschein A38 zu besorgen, der weiss, wovon ich hier spreche ;-). Schliesslich habe ich diese Prüfung doch noch bestanden, ohne verrückt zu werden (glaube ich zumindest…) und wir können in die Schweiz fliegen.

In der Zwischenzeit geht es dem Captain schon etwas besser und nach dem Flug empfängt uns mein Vater und fährt uns lieberweise direkt zum abgemachten Arzttermin. Hier erfahren wir, dass es sich um eine Lungenentzündung handelt, keine Anzeichen für Asthma, sondern eine lange verschleppte und wohl durch unpassende Antibiotika nie ganz abgeheilte Entzündung. Die neu verschriebenen Medikamente zeigen schnell ihre Wirkung und es geht wieder bergauf. Über diesen „behandelbaren“ Befund sind wir sehr erleichtert und der Captain lässt es die nächsten Tage ruhig angehen. Zwei Wochen dürfen wir uns im Hotel Mama einquartieren und freuen uns über das unverhoffte Wiedersehen mit der Familie und einigen Freunden… und über Luxus wie Bodenheizung, Badewanne, Raclette und Fondue. Mit „grünem Licht“ von ärztlicher Seite, sagen wir unseren Lieben wieder „tschüss“ und fliegen zurück nach Rabat. Unsere Reise geht weiter, jippii!

Ahh… Charon und der Zoll… wir sind ja gewappnet und das nun hinterlegte Formular D612 hat noch etliche ungestempelte Zeilen, die es, um die ganze Sache mit der Zolleinfuhr wieder rückgängig zu machen, zu stempeln und auszufüllen gilt…

Die Medina von Salé, gleich neben unserer Marina
Wieder einmal mehr ein Haufen Medikamente… ob's diesmal hilft…
Zurück in der Schweiz gibt's Fondue aus dem Swiss Bush Barrel
Wir geniessen die Leckerei im Freien
Zu Hause hat eine Schneelawine unseren Landyparkplatz zugedeckt. Mit vereinten Kräften wird Nesito von den Schneemassen befreit und an einem sichern Ort parkiert.
Winterspaziergang
Und Zwischenstopp mit leckerem Holdrio
Rückflug nach Marokko
Rabat, warten auf Hochwasser
Tschüss Marokko!
Bunte Fährbötchen über den Fluss
Hafenausfahrt liegt hinter uns, auf zur grossen Passage nach Gran Canaria
Besuch von netten Begleitern
Halt doch mal still!
Unser Windpilot… das dritte Besatzungsmitglied (Köbi)
Am fünften Tag zieht sich der Himmel zu
Schmetterling-Segeln
Wir kommen in Gran Canaria an

Es geht weiter! Passage zu den Kanarischen Inseln

Da man um aus Rabat’s Hafen zu kommen, auf gnädige Wellenverhältnisse und Hochwasser warten muss, legen wir spätnachmittags ab und sind beide etwas aufgeregt, denn dies ist unsere bisher längste Passage mit Charon. Fünf Nächte Atlantik liegen vor uns, ein Vorgeschmack auf die nächste Passage in die Karibik, an die wir beide noch mit Ehrfurcht denken. Die Sonne verabschiedet sich, als wir die Hafenausfahrt hinter uns lassen. Da wir hier in Küstennähe wenig Wind erwarten, wird der Gennaker gesetzt, manchmal brauchen wir auch Motorunterstützung um überhaupt vorwärts zu kommen.

Kaum Wind und Atlantikdünung… Charon „giert“ gehörig in den Wellen. Bei mir zeigt sich bald das verheissungsvolle Gähnen… die Seekrankheit wartet hinter der nächsten Welle. Die erste Nacht verbringe ich also über die Reling gebeugt oder zusammengerollt in der Kabine. Selbst der Captain, der was Seekrankheit angeht eigentlich immer ein „Fels in der Brandung“ war, wird leicht grün im Gesicht und muss sich ab und zu in die Koje verziehen.

Der nächste Tag bringt Besserung und richtig guten Wind. Wir können ab jetzt den Gennaker verstauen und unter vollen Segeln durch die Wellen gleiten. Leider verheddert sich die Bergeschlauch-Leine des Gennakers in einer der Maststufen und der Captain muss auf den Mast um das Gewusel zu entwirren. In dieser Atlantikdünung und dem kräftigen Wind gibt es nun wirklich keine unangenehmere Aufgabe, als in 12 Metern hin und her gerüttelt zu werden. Ich versuche das Schiff möglichst ruhig zu halten und der Captain macht sich ans Werk. Minuten können einem wie eine Ewigkeit vorkommen! Froh wieder in einem Stück unten angekommen zu sein, geht es um einiges entspannter weiter durch die Wellen.

Ich behaupte nicht, dass es mir schon pudelwohl ist, aber die Seekrankheit bessert sich mit jeder Stunde. Charon scheint uns irgendwie sagen zu wollen: „Ich bin auch eine Regatta-Yacht“. Wir machen ständig zwischen 6 und 7 Knoten, manchmal sogar 10. Ich weiss, ich weiss, jeder Regattasegler wird sich jetzt über uns lustig machen. Aber für unsere alte Lady ist das Spitzenwert ;-).

Eine Gruppe Delfine begleitet uns eine halbe Stunde durch die Wellen. Aber ein richtig gutes Foto krieg ich einfach nicht hin. Hoffen wir, sie besuchen uns wieder und halten diesmal still.

Die Nachtwachen laufen entspannt und am Tage freuen wir uns über jede gesegelte Meile, die uns weiter südlich und damit in spürbar wärmeres Gebiet bringt. Der Windpilot steuert uns zuverlässig durch die hohen Wellen und kommt auch mit Böen gut klar. Wir haben unseren „Dritten Mann“, die Windsteueranlage richtig schätzen gelernt.

In der fünften Nacht zieht sich der Himmel zu und es beginnt zu regnen. Das tiefblaue Meer wird schwarzgrau und sieht gleich viel bedrohlicher aus. Gran Canaria taucht dann gegen Mittag endlich aus dem Nebel vor uns auf und wir machen einen kleinen Freudentanz im Cockpit. Im Hafen von Las Palmas angekommen, geht’s erstmal ins Restaurant um auf unseren Erfolg anzustossen. Der Captain erklärt stolz: „Endlich habe ich es geschafft. Mein jahrelanges Training hat gewirkt.“ Ich frage nach, was er denn damit meine. Seine Antwort: „Früher wäre das erste, was du dir nach so einer Passage gewünscht hättest, eine warme Dusche. Jetzt bist du geeicht für die Seglerei“. Da hat er wohl Recht… mit der Zeit ändern sich die Prioritäten und so macht es mir mittlerweile auch nichts mehr aus, ungeduscht und mit Wuschelkopf auf eine erfolgreiche Passage anzustossen… sollen die Leute doch die Nasen rümpfen! Aber ehrlich gesagt: Die Dusche danach war auch ganz nett ;-).