nichtswieweg... vier Abenteurer unterwegs

Australien - Rückblick
Reisebericht vom 01.10.2010 bis 25.03.2011, Australien
Highlights: Ost-, Süd- und West-Australien

Für sechs Monate reisen wir durch dieses Land, am anderen Ende der Welt, durchqueren den Kontinenten von Ost nach West, von Süd nach Nord. Knapp 30'000 Kilometer haben wir am Ende runtergespult, wussten 174 Mal beim Frühstück nicht, wo wir am Abend unser Zelt aufschlagen werden. Wir sind bei Wind und Wetter stets draussen gewesen und erlebten den roten, sonst knochentrockenen Kontinenten als grünes, regenreiches und von Zyklonen geplagtes Land, deren Natur wunderschön und gleichermassen unbarmherzig ist.

Das Regenwetter begleitet uns unaufhörlich bis zur Westküste. Hier finden wir schliesslich das Australien, wie es uns von vielen beschrieben wurde. Heiss und wild, mit stahlblauem Himmel, türkisfarbenen Wasser, endlos weiten Halbwüsten und zu guter Letzt: Millionen Buschfliegen.

Von der unendliche Weite Australiens macht man sich nur schwer einen Begriff, ohne diese nicht einmal am eigenen Leib "erfahren" zu haben. Nichts ist ein Katzensprung, nichts ist mal so "um die Ecke". Tage vergehen, an denen wir nur unterwegs sind um am Abend doch "nirgends" zu sein. Das Outback umfasst so ca. den ganzen Kontinenten, nur schmale Streifen des Landes sind grün und fruchtbar, wie die Great piding Range oder der tropische Norden. Der Rest liegt "beyond", oder wie die Aussies sagen – im Backyard.

Doch nun einmal der Reihe nach. Im September 2010 verschiffen wir "Nesito", unseren Land Rover, nach Sydney und fahren in den ersten Wochen die australische Ostküste hoch bis nach Mackay. Knapp Drei Viertel der Aussies leben an der Ostküste, was Angesichts des enormen australischen "Backyards" einen nicht gross verwundert. Obwohl die Küste selbst für europäische Verhältnisse dicht besiedelt ist, haben es die Australier verstanden, Raum für die Natur zu lassen. Eine ansehnliche Anzahl an Nationalparks und Naturreservaten mit direktem Strandanschluss sorgt für Erholung und lässt das Camper-Herz höher schlagen.

Australien ist die Campernation schlechthin und an Wochenenden werden aus verweichlichten Städtern, harte Outback-Cowboys. Mit Kind und Kegel und vollbepacktem Outdoor-Trailer, mit fest integrierter Küche und ausklappbarem Familienzelt geht’s raus in die Freiheit. Davor gespannt ein grossmotoriger Toyota 4x4. Alles "ready" für ein paar Tage Natur und Gelassenheit. Natur gehört in Australien zur Bildung und jedes Kind kennt sich mit Feuer Machen, Angeln und den typischen Buschregeln aus. Irgendwie scheint in jedem Australier ein echter Crocodile Dundee zu schlummern.

In Mackay erreicht uns der Beginn der Regenzeit in ungeahntem Ausmass und zwingt uns nach tagelangem Ausharren im durchnässten Nesito, unsere Ostküstentour zu beenden und ins "trockene" Outback aufzubrechen. Der Regen lässt im Outback zwar nach, aber viele Strassen und Tracks sind von den anhalten Regengüssen im Norden bereits überschwemmt. Der Gang zur Polizeistation, um nach dem Strassenzustand zu fragen, wird zur täglichen Aufgabe. Immer wieder stecken wir fest, kein vor und kein zurück, es bleibt uns nichts weiteres, als abwarten und, ähhm, Bier zu trinken.

Gut sind wir nun in Birdsville, denn hier wird der Durst besonders stilvoll gestillt. Im Pub - oder hier in Australien Hotel genannt - spielt sich das pure Leben ab. Probleme und alltägliche Sorgen werden bei Bier und Burger ans Tageslicht gebracht und machen Psychiater in diesem Land überflüssig. Oft öffnen wir als Fremde die Türe eines Pubs und als Freunde verlassen wir die Bude wieder. Hier ist es egal, ob die Jogginghose zum Hemd passt oder der Bart vor kurzem gestutzt wurde – Hauptsache, das Bier ist kühl und fliesst in rauen Mengen. Pubs gehören darum für die Aussies zu den wichtigsten Institutionen im Dorf.

Nach tagelangem Aussharren und übermässig gelöschtem Durst wagen wir es wieder auf die durchnässten Strassen. Auf der Strecke von Birdsville nach Innamincka bekommen wir die gnadenlose Natur am eigenen Leib zu spüren. Grosse Teile der Strassen sind überflutet, Flood Plains - ansonsten trockene Flächen in der Einöde – haben sich in Seen, reissende Bäche oder tückische Schlammlöcher verwandelt. Knapp drei Tage sind wir unterwegs und haben am Ende bloss 150 Kilometer Strecke geschafft.

Mitten im Nirgendwo fängt Nesito an zu mucken, das Gaspedal steigt ständig aus und wir bleiben schliesslich in einem tiefen Schlammloch stecken. Die nächsten Stunden werden wir beschäftigt mit Sandblech legen und kiloweise Dreck schaufeln. Und das bei "angenehmen" 45 Grad. Ein paar Hundert Kilometer vor und hinter uns gibt es niemanden, der uns helfen könnte. Hier sitzen wir und hoffen auf ein technisches Wunder oder vielleicht auf eine Eingebung, wie wir Nesito wieder auf Vordermann bringen können.

Kurz vor der Resignation finden wir die Ursache für den Ausfall des Gaspedals und bringen Nesito wieder zum Laufen. Nach einigen Stunden Schaufeln, Sandblecheln und Fluchen bergen wir den Landy aus dem verflixten Schlammloch. Am anderen Abend erreichen wir dann endlich die Gasfelder von Coopers und finden uns in der Zivilisation wieder. Zeit durchzuatmen und sich die Dornen, die wir beim Dreck schaufeln eingefangen haben, rauszupulen.

In solchen Momenten wird man plötzlich nachdenklich und fragt sich, was man eigentlich hier tut. Was als nettes Offroad-Abenteuer begonnen hat, könnte schnell unschön enden. Hier im Outback vergehen oft Wochen, bis jemand vorbeikommt und Hilfe leisten könnte. Vielleicht braucht es hin und wieder solche Momente, um sich bewusst zu machen, dass am Ende immer die Natur am längeren Hebel sitzt.

Obwohl Australien im Grunde sehr touristisch und einfach zu bereisen ist, finden wir abseits der ausgetretenen Pfade in ganz Australien immer wieder spannende Offroad-Strecken, die viel Fahrspass versprechen. Einige Offroad-Tracks haben noch echten "Expeditionscharakter", wo weite Strecken ohne Zivilisation, keine Versorgungsmöglichkeiten, kein Wasser und brennende Hitze für Nervenkitzel sorgen.

Nach den Herausforderungen der letzten Tage feiern wir aber erst mal den Moment, an dem Nesitos Reifen wieder Asphalt berühren und geniessen den glatten Belag, das erste kühle Bier, die frisch gewaschenen Kleider, kurz gesagt: die Zivilisation.

In Südaustralien und Victoria bewegen wir uns wieder auf Touristenpfaden. Auf der Eyre Peninsula fühlen wir uns dann ganz besonders wohl und kurven durch den Coffin Bay Nationalpark, ein echter "Geheimtipp" für "Sand Lovers" mit abwechslungsreichen Fahrten über Sanddünen, dem Strand entlang und schönen Camps an einsamen Buchten.

Nach einem Abstecher in die Flinders Ranges und einem feuchtfröhlichen Weihnachts- und Neujahrsfest um und in Melbourne mit dem Team Gaucho zieht es uns dann aber westwärts.

Um da hinzukommen, wird uns doch einiges abverlangt. Eine schnurgerade, 2’000 Kilometer lange Asphaltstrasse, quer durch eine baumlose Einöde, liegt vor uns. Die Mühe ist es aber wert. Der Südwesten Australiens belohnt uns mit wundervollen, beinahe kitschig wirkenden, schneeweissen Stränden und türkis-blauem Wasser – und heiterem Sonnenschein! In den vielen Nationalparks, direkt am Meer, finden wir immer wieder schöne Orte zum Verweilen.

So verlockend das Meer hier zwar aussieht, es ist wie überall in Australien. Es birgt meistens irgendeine Gefahr: Hungrige Haie, giftige Quallen, starke oder kalte Strömungen lassen uns immer zwei Mal überlegen, bevor wir ins kühle Nass springen. Baden scheint hier deshalb weniger ein Hobby der Aussies zu sein, dafür sind sie aber Weltklasse beim Angeln. Ihre Angellust wirkt ansteckend und schon bald beisst auch bei uns der erste Fisch an.

Von Perth aus stechen wir gegen Norden, der Westküste entlang bis nach Exmouth. In der Shark Bay, einer Bucht, geformt durch eine Halbinsel, erkunden wir ein wenig die Unterwasserwelt mit Schnorcheln und campieren im schönen Peron Nationalpark direkt am Strand. Die Bucht macht ihrem Namen alle Ehre, abends wird uns klar, weshalb. Bei Sonnenuntergang angelt es sich am Besten und schon nach kurzer Zeit haben wir ein paar gierige Haie an der Angel. Unsere Kühlbox und vor allem unser Appetit ist aber für diese Mocken zu klein. Zum Glück beisst dann irgendwann etwas Bescheidenes an und der Gang in den Supermarkt können wir noch ein paar Tage aufschieben.

Hier im Westen bekommen wir die weiten Distanzen Australiens zum ersten Mal richtig zu spüren. Was im Osten noch 150 Kilometerchen Tagesetappe waren, sind hier gut und gerne einmal 500 Kilometer. Wir fressen also wieder einmal K´s (sprich: Kays, für Kilometer) und ruhen uns jeweils an den schönen Stränden von den Strapazen aus.

In Carnarvon angekommen, zeigt sich die Natur in Urgewalt. Wie in Queensland, musste auch diese Gegend hier schwere Überschwemmungen verzeichnen. Ganze Dörfer und Städte gehen dieses Jahr in Australien unter. Viele verlieren ihr Hab und gut. Gleichzeitig wüten Buschfeuer am anderen Ende des Kontinents.

Doch auch solche verheerenden Katastrophen scheinen das sonnige Gemüt der Aussies nicht zu trüben. Immer lebensbejahend und "easy going" meistern sie auch diese schwierige Situation.

Das überflutete Hotel tauft der Wirt kurzerhand in "Floatel" um und wirbt für einen Drink mit "Seeblick". Ein bisschen Schwarzen Humor haben sich die Aussies wohl noch aus der Zeit der britischen Kolonialisation bewahrt.

Ein anderes Überbleibsel aus jener Zeit, ist aber auch Australiens Esskultur. Vegimite ist ihre Antwort auf die Erdnussbutter der Amis. Eine Mischung aus Knorr Maggie und Getriebeöl umschreibt den Geschmack des Aufstrichs unserer Meinung nach am Treffendsten. Für Fish & Chips und Shepard´s Pie machen wir zwar auch keine Luftsprünge, dafür ist das Fleisch hier Erste Klasse und im Vergleich zur Schweiz preiswert.

Die brütende Hitze hier im Westen macht es aber nicht ganz einfach, das gute Fleisch auf offenem Feuer zu brutzeln. Praktisch überall herrscht absolutes Feuerverbot und macht auch der Lagerfeuerromantik einen Strich durch die Rechnung. Doch die Aussies wissen zumindest ersterem Abhilfe zu schaffen, und so finden wir auf praktisch jedem Rastplatz einen vollautomatischen Gasgrill.

Nach Exmouth emfängt uns die heisseste Region Australiens, die Pilbara. Dunkelrote Erde, grünes Spinifexgrass und ein stahlblauer Himmel sorgen für Kontraste. Inmitten der Pilbara besuchen wir einen der schönsten Nationalparks im Land, den Karijini NP. Das Wasser hat über Jahrmillionen tiefe Furchen durch das rote Gestein der Pilbara gefressen und so diese eindrucksvolle Canyon-Landschaft erschaffen. Die Canyons lassen sich gut zu Fuss erkunden und der steile Abstieg in die Schluchten wird mit einem kühlen Bad im glasklaren Wasser belohnt.

In Broome angekommen, bahnt sich schon die nächste Zyklon-Serie an, und wir stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Wohin jetzt? Ein Blick auf die Karte und die Wettervorhersagen macht uns klar, dass es nur noch eine Möglichkeit gibt: Dem Tanami Track entlang ins rote Zentrum. Doch der Reiseführer trübt ein wenig die Vorfreude: Der Track soll extrem langweilig und öde sein. 1200 Kilometer Schotter- und Wellblechpiste durch absolutes Niemandsland, gelten zwar als Abkürzung zum geteerten Northern Highway, sollen aber landschaftlich niemanden vom Hocker reissen.

Die Rüttelpiste entpuppt sich aber dann ziemlich schnell als gar nicht so uninteressant. Der wer kann schon vor sich behaupten, das rote Outback jemals als grünen, exorbitanten Golfplatz gesehen zu haben? Ein bisschen Nervenkitzel haben die 1200 Kilometer Gerüttel ohne Wasser, Diesel und anderen Versorgungsmöglichkeiten auch noch mit sich gebracht. Unterwegs treffen wir immer wieder auf wilde Dromedar-Herden, eine der vielen eingeschleppten Spezies auf dem fünften Kontinent.

Apropos eingeschleppt. Diese Geschichten lesen sich wie ein Krimi. Zur Bekämpfung eines schädlichen Käfers wurde die Aga-Kröte in den 30er Jahren in Australien eingeführt. Den Käfer hat die Kröte zwar gefressen, dafür aber auch die ganze Ernte. Das Tier vermehrt sich rasend schnell. Dass die Kröte giftig ist und nun auch einheimische Tiere bedroht, daran hatte damals niemand gedacht. Ähnliches geschah mit Kaninchen, Wildschweinen, Pferden, einigen Vogelarten, Fischen und Krabben und eben auch den Dromedaren. So scheint Australien an allen Ecken und Enden zu tun zu haben, damit die Natur nicht noch weiter aus den Fugen gerät. Man kann es den Australiern darum nicht verdenken, dass sie unser Fahrzeug beim Auslösen am Zoll und bei der Quarantäne so genau unter die Lupe genommen haben.

Mit Alice Springs erreichen wir das Zentrum Australiens. Doch was wir hier antreffen ist alles andere als erwartet. Während unserer Reise durch dieses Land schlummerte in uns immer leise die Hoffnung, nebst der reichhaltigen Natur, auch das spirituelle und kulturelle Australien erleben zu dürfen. Leider treffen wir auch hier, im Herzen des Landes, auf dasselbe elende Bild der Aboriginals, wie auch an vielen anderen Orten in Australien. Lungernde Aboriginals in den Parkanlangen, sehnlichst wartend, bis um 14.00 Uhr der "Bottle Shop" öffnet. Vergessen ist ihre Kultur, verloren zu sein scheint ihr Wissen und ihre ganze Hoffnung.

Paradox scheint es uns hier, durch die Fussgängerzone zu wandern. Auf der einen Seite verkaufen Weisse in luxuriösen Galerien, die Kunstwerke der Aboriginals zu extrem hohen Preisen. Gleich gegenüber sitzen sie, die Aboriginals und somit die Macher der Kunst, lallend und betrunken im Park, desillusioniert und von der Gesellschaft ausgeschlossen. Sie sind die grossen Verlierer in der jungen Geschichte eines Landes, zusammengewürfelt aus aufstrebenden Pionieren, Goldsuchern, britischen Sträflingen, einfachen Farmern und zu guter Letzt, den schon seit Langem hier lebenden Aboriginals.

Unterwegs im Outback treffen wir ab und zu auf Aboriginals und kommen so ein wenig mit diesem Naturvolk in Kontakt, helfen bei Autopannen oder nehmen Leute im Nesito mit. Doch es ist für uns wirklich schwierig, mit diesen Menschen ein Gespräch zu führen. Sie wirken auf uns sehr verschlossen. Auch unsere Gespräche mit den Aussies über dieses Thema sind seltsam. Wir spüren, dass im Land ein starker Rassismus und die Politik des Wegsperrens und Ausschliessens herrscht. Der Weg der Wiedergutmachung wird noch ein Langer sein. Wir hoffen sehr, Australien wird sich bald der Wichtigkeit und des Berechtigungsstatus der Aboriginals bewusst, bevor dieses Naturvolk seine Wurzeln ganz verliert.

Beim Uluru angekommen, überrascht uns dieser rote Fels trotz allem mit einer unbeschreiblichen Magie. Wir sind wider erwarten beeindruckt und zum ersten Mal begreifen wir, warum die Aboriginals diesem Monolithen eine solche spirituelle Bedeutung zuschreiben.

Auf unserer letzten Etappe durch das Outback, von Uluru bis Fremantle in Westaustralien, erleben wir nochmals die Weite und Abgeschiedenheit der hier lebenden Menschen. 2'000 Kilometer später erreichen wir die Hafenstadt Fremantle, die für uns zu einer neuen, kleinen Heimat wird. Hier machen wir unseren Landy für die Weiterreise nach Afrika klar und verschiffen schliesslich Nesito Ende März 2011 nach Kapstadt, unserem nächsten Reiseziel. In Fremantle treffen wir auch zum letzten Mal auf unsere zweite Team-Hälfte, Anita und Roger. Wir werden die Beiden in Afrika wieder sehen.

Nach sechs Monaten Reise durch dieses weite Land, tragen wir viele schöne, neue Bilder mit uns, viele beantworte und viele unbeantwortete Fragen und verstehen mittlerweile auch ein klein wenig, warum Themen wie Weltpolitik und Umweltprobleme hier niemanden gross interessieren. Wozu auch? Denn Kelvin, der auf der Cordillo Downs Farm im Outback arbeitet, hat heute Abend noch 250 km Wellblech-Piste vor sich, bis er im nächsten Pub ankommt, wo Bier und Freunde auf ihn warten…