nichtswieweg... vier Abenteurer unterwegs

Eine Reise ins Reich der Mitte
Reisebericht vom 09.10. - 29.10.2006, USA und China
Highlights: New York, Hong Kong, Guangzhou, Guilin, Yangshuo

Martin schreibt:

Heute ist der 9. Oktober und zugleich unser letzter Tag in Südamerika. Um 19.00 fliegen wir mit der Avianca via Stopp in Bogotá in eine ganz andere Welt: New York. In New York bleiben wir fünf Tage und tun natürlich das, was alle Leute, die nach NYC gehen tun: Sightseeing und Shopping.

Wir verbringen einige tolle Tage in New York, besuchen dies und das und haben das Glück, die ganze Zeit über schönes Wetter zu haben. Am 15. Oktober ist es dann soweit. Gespannt machen wir uns Richtung internationalen Flughafen JFK auf, denn heute fliegen wir nach Hong Kong. Auf uns warten anderthalb Monate China und wir sind natürlich neugierig, was uns in Asien alles so widerfährt.

Nach 20 Stunden Flug mit Hong Kong’s Haus-Airline Cathay Pacific landen wir auf dem internationalen Flughafen in Hong Kong. Nach dem Migrationsschalter befinden wir uns nun auf chinesischem Boden. Als wir das Gebäude verlassen, wird uns schon einmal klar, dass wir zu viele warme Sachen eingepackt haben – denn die Hitze und die Luft erdrückt uns fast. Der neue Flughafen befindet sich weit ausserhalb der Stadt und die Fahrt ins Zentrum dauert rund vierzig Minuten. Eine gute Gelegenheit, die Stadt durch das Panoramafenster in dem doppelstöckigen Shuttle Bus ein wenig kennen zu lernen.

Im touristischen Tsim Sha Tsui im Stadtteil von Kowloon finden wir unsere Unterkunft für die nächsten Tage: Das Chungking Mansion. Ein riesiger Block, der in unseren Breiten sofort zum Abbruch freigegeben werden würde, ist unsere neue Behausung. Über den Chungking Mansion wurde sogar einmal ein Movie (Chungking Express) gedreht. Die Atmosphäre ist ausgesprochen multikulturell und jeder der sich im Mansion auf Anhieb wohl fühlt, ist entweder superliberal oder einfach schon zu lange unterwegs.

Unsere idyllische Behausung liegt im Block D im 9. Stock und das stimmt sogar, als wir dann ankommen. Obwohl der Bauklotz von aussen alles andere als clean aussieht, sind wir doch ziemlich überrascht, als wir unser Zimmerchen beziehen. Ist gar nicht mal so schlecht, obwohl es vielleicht besser wäre, wenn man die Fenster und Vorhänge zuliesse.

Die folgenden Tage tasten wir uns an die asiatische Kultur (und Küche) ran und erkundschaften die Stadt. In Kowloon lässt es sich gut shoppen, obwohl die Produkte in Tsim Sha Tsui ziemlich überteuert sind. Wesentlich günstiger bekommt man die Dinge weiter nördlich in Mong Kok. Im Süden überqueren wir mit der Ferry das Wasser und kommen auf der anderen Seite in Hong Kong Island an. Hier liegt der Financial District und somit der moderne Teil der Stadt mit all den imposanten Wolkenkratzern, wovon der Tower des internationalen Finanzzentrums mit 416 Meter Höhe das weitaus höchste Gebäude ist. Obwohl wir ein paar Tage zuvor noch die eindrücklichen Hochhäuser Manhattans bewundert haben, muss man wirklich sagen, dass die Skyscraper hier diejenigen New York Citys übertreffen. Rein anzahlmässig sowieso, aber auch von der Komplexität der Architektur. Wir sind schwer beeindruckt, fühlen uns aber nach dieser langen Zeit in Südamerika irgendwie doch wie auf einem anderen Planeten.

In Hong Kong Island kann man sich bequem fortbewegen, denn die einzelnen Häuser sind durch Unter- und Überführungen miteinander verbunden. Man merkt gar nicht, wann man eine Strasse überquert hat. Vom Peak aus (Höchster Punkt auf der Insel) soll man eine fantastische Aussicht über weite Teile Hong Kongs haben. Gott sei dank muss man den Berg nicht hochkrakseln, denn das nette Peak Tram wartet an der Talstation bereits auf Kundschaft. Oben angekommen, kann man tatsächlich mit Bestimmtheit sagen, dass sich der Aufwand gelohnt hat: Vor einem liegt ganz Hong Kong Island mit seiner ultramodernen Skyline, der Kanal und auf der anderen Seite der Stadtteil Kowloon. Was will man da noch mehr?

Jetzt wo wir die Stadt ein wenig kennen, wird es Zeit, uns die Leute einmal genauer anzuschauen. Ein paar Gewohnheiten haben wir bereits festgestellt, die von unseren westeuropäischen ein wenig abweichen. Da wäre einmal die ekelhafte Angewohnheit, immer und überall hinzuspucken. Egal ob Asphalt, Dreck, Marmor oder mit edlen Perserteppichen belegte Böden... das spielt keine Rolle. Gespuckt wird einfach überall. Auch wenn man sich gerade ein Brötchen genussvoll in die Speiseröhre schiebt... darauf wird keine Rücksicht genommen. Am Besten sind die, die von ganz tief rauf gezogen und dann in einem riesigen Klumpen direkt vor die Füsse geschleudert werden, einfach ganz toll...

Und da wäre die zweite Sache. Ich weiss nicht, ob das nur Zufall war (denn es gibt ja auch wirklich sehr viele Menschen in China, und Zufälle können sich da schon ein paar Mal überschneiden), aber irgendwie scheint es hier niemanden zu stören, wenn die Leute in der Menge einfach klangvoll einen fahren lassen. Ich meine... das stört ja wirklich nicht... auch nicht im Fahrstuhl... ich möchte das einfach nur wegen der Vollständigkeit erwähnen.

Aber was soll man dazu sagen... andere Länder, andere Sitten. Deshalb sind wir auch hier. Doch was das Essen angeht, so haben wir uns nach den paar Tagen HK noch nicht auf ein Lieblingsmenu einigen können. Das mag weniger an der Varietät liegen, als doch mehr am Inhalt. Was uns auffällt, dass an beinahe jedem Stand Mägen zubereitet werden. Die Versuchung ist zwar gross, aber wir haben das für den Anfang doch bleiben lassen. Die Auswahl an mehr oder weniger Essbarem ist wirklich gewaltig: Nebst den üblichen Dingen wie Rind, Huhn und Schwein gibt es da noch eine enorme Vielfalt an anderen Säugetieren, Fischen, Geflügel und Reptilien... da wären zum Beispiel Quallen, Seegurken und -igel, Haifisch, Fischköpfe, Tauben, Enten, Frösche, Giftschlangen, Skorpione, Schildkröten und Hunde. Auch die Zubereitungsart uns bekannter Fleischlieferanten weicht zum Teil ab. Hühnchen wird eine Art geshreddert und kommt mit einigem Inhalt mehr auf den Teller als bei uns. Auch scheint es so, dass Chinesen sehr gerne sehen was sie essen... was eigentlich gut ist. Denn so weiss man, dass das Bestellte auch das auf dem Teller ist. Tauben, Enten und Hühnchen werden kunstvoll gebogen, zerquetscht und in einer dekorativen Stellung dem Klienten präsentiert. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis wir uns an die neue Küchenkultur gewohnt haben.

Doch wieder zurück zu unserer Mansion. Es ist wirklich beeindruckend, wie hier die Menschen aus den verschiedensten Kulturen auf kleinstem Raum zusammenleben. Kantonesen, Inder, Philippiner, Thailänder, Malaysier, Engländer und und und... ebenso gross ist auch das Angebot an Produkten, Essen und Dienstleistungen. Von Copy Rolex, Chicken Murgi, Manga Comics bis zu Musikvideos Made in Bollywood kann man hier einfach alles haben. Es ist ein Erlebnis für sich, hier ein paar Tage zu wohnen.

Ein wenig ausserhalb Mong Koks besuchen wir die stark frequentierte Tempelanlange Wong Tai Sin. Hierher pilgern alle, die nach einer (oder allen) der drei grossen Lehren Chinas leben, dem Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus. Schon beim Eingang des Tempels erwartet uns typisch chinesische Architektur: Holzgebäude mit schönen Schnitzereien und Verzierungen, kräftige Farben und Dächer, die an ihren Ecken zu Spitzen geformt sind. Vor dem Haupttempel knien Gläubige und schütteln Behälter mit Glücksstäbchen. Sobald ein Stäbchen aus dem Schüttelbehälter auf den Boden fällt, wir es ausgelesen und die Zukunft wird dadurch preisgegeben. Der ganze Ort wirkt geheimnisvoll – und ganz schön rauchig. In der Anlage gibt es mehrere Plätze und die Leute beginnen am Haupttempel mit einer vollen Hand an Raucherstäbchen, spazieren durch die Anlage und hinterlegen an jedem der Plätze ein paar Stäbchen bis sie keine mehr haben.

Ein paar Tage Hong Kong reichen jetzt aber aus, und wir möchten nun das Hauptland Chinas erkundschaften. In einer englischsprachigen Agentur buchen wir unsere Zugfahrt nach Guilin, eine Stadt, welche in der südchinesischen Provinz Guangxi liegt. Am nächsten Tag geht’s auf den Bahnhof Hong Kongs und somit durch die Migration. Jetzt geht’s ins «richtige» China, denn obwohl Hong Kong 1997 zu China zurück gegangen ist, handelt es sich im Grunde um zwei politische Systeme. Wir besteigen den Zug und fahren nach Guangzhou, im Deutschen ehemals auch als Kanton bekannt. In Guangzhou müssen wir einige Stunden auf den nächsten Zug warten, also machen wir es uns in der riesigen Bahnhofhalle gemütlich. Erst jetzt wird einem klar, wie viele Menschen in China leben. Die enorme Zahl «1.3 Milliarden Einwohner» wirkt langsam plausibel und plastisch, denn auf jedem Quadratmeter sitzt oder steht irgendein Mensch. Es ist kaum zu glauben... im Umkreis von 500 Metern findet man tatsächlich keinen Platz um sich hinzusetzen.

Die ganze Halle ist erfüllt von Zigarettenrauch und Smog. Das Atmen fällt einem schwer und jetzt ist auch klar, wieso man auch im Ausland häufig Asiaten mit Mundschutz herumlaufen sieht. Die Umweltver-schmutzung in China ist gravierend und wird leider erst seit den letzten paar Jahren von der Regierung wirklich ernst genommen. Die Luftverschmutzung merkt man auch in Hong Kong, so sehr, dass einem schon nach wenigen Stunden die Augen brennen und sich ein Ausschlag auf der Haut bemerkbar macht. Auch die Wasserqualität ist äusserst bedenklich... die Ufer der Flüsse sind schwarz von Schlacke und trotzdem baden sich Leute darin und Tiere saufen daraus. Die riesige Industrie Chinas und die Millionen von Menschen lassen Spuren zurück und es bleibt zu hoffen, dass China dieses schwerwiegende Problem eines Tages in Griff bekommt. Wir sind wirklich überrascht, dass Südamerikas Umweltverschmutzung hier noch getoppt werden kann.

Nach einer Nacht im bequemen Schlafzug kommen wir morgens um acht ausgeruht und entspannt in Guilin an. Hier verbringen wir ein paar Tage und gönnen unseren Lungen ein wenig Erholung, denn die Luft ist hier wesentlich besser als weiter südlich. Die Stadt selbst liegt in einer schönen, mit einzelnen Hügeln versehenen Landschaft direkt am Li Fluss. Guilin ist bekannt für seine lohnenswerten Ausflugsziele in der Umgebung, darunter eine imposante Tropfsteinhöhle (Reed Flute Cave), die beiden Türme von Riyue Shuang Ta oder Exkursionen dem Li Fluss entlang. Wir besichtigen die Attraktionen und machen einen Ausflug nach Yangshuo, eine Stadt 160 Kilometer weiter südlich gelegen. Für die Hinreise entscheiden wir uns mit dem Boot zu fahren, denn die Szenerie dem Li Fluss entlang soll beeindruckend und abwechslungsreich sein. Vier Stunden dauert die Fahrt, wir und ein alleinreisender Spanier sind die einzigen ausländischen Touristen an Bord.

Am Nachmittag erreichen wir Yangshuo. Das Dorf ist voll auf Tourismus ausgelegt, beinahe jedes zweite Haus bietet Unterkunftsmöglichkeiten an und es gibt einige Restaurants und Bars... Yangshuo ist die Ausruhoase für übermüdete China-Individualtouristen. Wir mieten uns zwei Fahrräder und radeln zum zwölf Kilometer entfernten Mondberg (Yangshuo bedeutet übersetzt: Heller Mond) und noch ein bisschen weiter. Die Fahrt geht durch eine grüne Hügellandschaft, vorbei an Reis- und Weizenfeldern. Der Aufstieg zum Berg dauert nicht lange und oben angekommen, hat man eine wundervolle Aussicht über das gesamte Tal. Die Sonne brennt runter, doch wirklich blauen Himmel hatten wir bis jetzt noch nie. Ob das Auswirkungen der landesweiten Luftverschmutzung sind oder ob es nur das Wetter zu dieser Jahreszeit ist? Ich hoffe das letztere trifft zu...

Am nächsten Tag fahren wir wieder zurück nach Guilin – diesmal aber mit dem Bus, der für die ganze Fahrt nur anderthalb Stunden benötigt.

Unsere Reise geht weiter zur Sichuanischen Provinzhauptstadt Chengdu. Aber bis dahin fehlen noch 1'500 Kilometer. Doch dazu mehr im nächsten Reisebericht...