nichtswieweg... vier Abenteurer unterwegs

Auf nach Chile!
Reisebericht vom 20.01. -20.02.2006, Chile
Highlights: Feuerland, Torres del Paine, Perito Moreno, Carretera Austral, Bariloche, Ruta del Mar, Santiago und Valparaiso

Andrea schreibt:

Wieder einmal verabschieden wir uns etwas wehmütig von Ushuaia und unseren neugewonnen Freunden, mit denen wir feuchtfröhlich ins neue Jahr gestartet sind. Das Team Gaucho bleibt noch ein wenig länger auf Feuerland, doch uns zieht es nach Norden, in die Wärme und Windstille.

Nach zwei Tagen Fahrt erreichen wir das Festland von Chile und steuern in Richtung Punta Arenas. Dies soll die schönste südliche patagonische Stadt sein. Was uns aber eher lockt, ist die Zona Franca, das chilenische Zollfreilager, in dem wir wirklich günstig fünf neue Hankook Dynamic MT Reifen erstehen.

Bei der Montage werden wir aufmerksam von einem anderen Werkstattkunden beobachtet. Bald stellt sich Francis bei uns vor, wir kommen ins Gespräch und werden von dem chilenischen Gitarrenvirtuose zu einem seiner Konzerte für den kommenden Abend eingeladen. Er weckt unsere Neugier, als er von seinem Musikrepertoir berichtet, wir sind gespannt und sagen natürlich gerne zu.

Am besagten Abend werfen wir uns mal wieder in Schale, schliesslich sind wir heute Ehrengäste. Das Konzert soll laut Francis um 22 Uhr beginnen. Nach schweizerischer Pünktlichkeit betreten wir natürlich um 22.05 Uhr als Erste das Lokal und kommen uns wie die letzten Trottel vor. Francis erklärt uns, dass man es hier mit der Zeit nicht ganz so wörtlich nimmt und rät uns, um Mitternacht wiederzukommen. Als wir erneut antanzen, ist für uns schon ein Logenplätzchen reserviert, nur Francis steht hilflos da und erklärt, dass vor ihm jemand anders auftreten soll, ein Spezial Guest sozusagen.

So hören wir ein tolles Konzert über Victor Jara, den berühmten chilenischen Musiker, und lernen einiges über die dunkle chilenische Vergangenheit. Die Stimme der Sängers füllt den ganzen Raum und scheint die Zuhörer mit seinen Texten gleichermassen traurig wie hoffnungsvoll zu stimmen. Schon beim dritten Lied singen alle mit, die Zuschauer sind jetzt nur noch wie eine Gruppe alter Freunde. Und als er singt: El pueblo unido, jamas sera vencido (Als vereintes Volk werden wir für immer unbesiegbar sein), stehen die Leute auf, tanzen, rufen, lachen, und wir staunen über die Macht der Musik.

Nach einem so eindrucksvollen Auftritt sind wir skeptisch, ob Fancis das noch überbieten kann. Doch schon nach den ersten Griffen auf der Gitarre sind wir hingerissen. Als er uns noch ein Ständchen spielt, und uns dem Publikum vorstellt, geht dann wirklich die Post ab. Um vier Uhr morgens zeigt sich aber endgültig die Müdigkeit und wir verabschieden uns von Francis und den anderen Musikern. Komischerweise scheinen wir auch jetzt wieder die ersten zu sein, die das Lokal verlassen, na ja, reisen ist halt anstrengend…

Am nächsten Tag legen wir mal wieder eine Internetsession ein. Im Coffee Net, dem geschmackvoll eingerichteten Internetcafe stehen plötzlich Caroline und Urs (anderswo.ch) in der Türe. Wir sind alle überrascht und freuen uns sehr über das Wiedersehen. Die beiden haben gerade einen zehntägigen Traumtrip in die Antarktis hinter sich und erzählen von dem tollen Erlebnis. Ihre Fotos geben ihnen auf jeden Fall Recht. Für Später verabreden wir uns, und suchen nach dem Abendessen eine gemütliche Bar und einen Schlummertrunk. Etwas ausserhalb des Zentrums entdecken wir ein kleines Lokal. Hier läuft gute Musik, hier bleiben wir. Die Gäste scheinen alle zur gleichen Familie zu gehören und wundern sich über den unbekannten Besuch. Die Musik wird plötzlich immer lauter gedreht, die ersten Gäste fangen zu tanzen an. So dauert es nicht lange, bis wir ebenso zum Tanz aufgefordert werden. Leider müssen wir bald feststellen, dass in unseren Adern definitiv kein südamerikanisches Blut fliesst, denn was wir auch tun, unser Tanzstil sieht eher nach Muskelzerrung aus. Das scheint die Gäste aber nicht im Geringsten zu interessieren, und so kommen wir kaum noch zu einer Atempause. Als wir uns verabschieden, zeigt sich der Lokalbesitzer, den alle Abuelo (Grossvater) nennen, sehr gerührt und küsst uns alle ab. Das war eine schöne Erfahrung mit der chilenischen Bevölkerung, die uns sonst als sehr reserviert begegnet.

Für die nächste Strecke nach Puerto Natales haben wir zwei Fahrgäste. Caroline und Urs begleiten uns in unserem Landy, und Urs fragt auf der schön asphaltierten Strasse, ob wir schon auf Ripio (Schotter) fahren. Dummerweise fegt der patagonische Wind dann unsere Schlafsäcke vom Dach und wir verbringen eine halbe Stunde mit der Suche nach zwei orange farbenen Knollen am Strassenrand. In Puerto Natales trennen sich unsere Wege dann wieder, aber ganz sicher nicht für immer, denn vor uns liegt der Nationalpark Torres del Paine, unser aller Ziel für die nächste Zeit.

Die Landschaft, die uns auf dem Weg in den Nationalpark Torres del Paine begleitet, ist bizarr. Die Strasse leider ebenso. Alle kreuzenden Autofahrer machen ein schmerzverzehrtes Gesicht und halten die Windschutzscheibe, aus Angst vor Steinen im Glas. Da sind wir mit unserem hohen Radstand zum Glück gut bedient, obwohl sich auch unsere Scheibe schon einiges eingefangen hat. Wir entschliessen uns, im Nationalpark eine Wanderung zu den drei Torres zu machen. Der Weg ist ganz schön beschwerlich und steil. Als wir dann aber endlich am Ziel ankommen, entschädigt das atemberaubende Panorama für alle Strapazen. Wir fühlen uns ein klein wenig, als hätten wir den Mount Everest bezwungen. Beim Abstieg begegnen uns Caroline und Urs wieder. Urs scheint noch keinen Tropfen Schweiss vergossen zu haben. Na ja, das ist vielleicht ein Zeichen. Wahrscheinlich sollten wir auch ein wenig mehr Sport treiben. Als wir nach 10 Stunden wieder bei unserem Pajarito ankommen, dunkelt es schon langsam ein. Wir fühlen uns gut, nach einer schönen Dusche wie neugeboren und froh, bald ins Bett zu kommen.

Martin schreibt:

Der nächste Morgen bricht an und wir fühlen uns wie gerädert und getreten. Wir hieven uns aus den Federn und machen uns in Richtung Argentinien auf. Kurze Zeit später verlassen wir den Park und mitunter auch Chile. Der Weg führt uns über die Ruta 40, eine Schotterstrasse nach El Calafate. Auf halbem Weg kommt uns ein Pick-Up mit Wohnaufbau entgegen – wir winken zu, wie unter Reisenden üblich, und fahren weiter. Im Rückspiegel sehen wir, dass das Fahrzeug anhält. Andrea und ich schauen uns an und rätseln, wer das wohl sein mag. Natürlich machen wir ebenfalls kehrt und fahren zurück. Wir können fast nicht glauben, wer aus dem Auto steigt: Iwan und Anita, zwei Reisende, die wir einige Monate zuvor in Mendoza kennen gelernt haben. Wir können Iwan fast nicht wieder erkennen: Längere Haare, Vollbart.

Wir erzählen uns gegenseitig von unserem Erlebten und tauschen Reiseinformationen aus. Zwei Stunden vergehen wie im Nu und wir wollen uns aufmachen, damit wir vor der Dunkelheit noch im Nationalpark Los Glaciares ankommen. Wir verabschieden uns von ihnen, doch es sollte nicht beim letzten Treffen bleiben.

Während unserer Fahrt treffen wir immer wieder auf Guanacos und Gürteltiere. Der Schotter ist gut und wir fahren mit 80 Sachen durch die Landschaft. Als wir einen Hügel überqueren, passiert es… inmitten der Fahrbahn kann sich ein Gürteltier nicht für eine Richtung entscheiden. Einmal rennt es nach links, einmal nach rechts… das Ganze liegt nun bei mir – ich weiche nach rechts aus, weil das Tier die Nase nach links streckt. Gerade in dem Moment, als wir mit unserem Pajarito vorbeiflitzen, springt das Gürteltier ebenfalls nach rechts. Wir rasen drüber hinweg und kommen 40 Meter weiter zum stehen. Im Rückspiegel sehe ich das Tier auf der Fahrbahn. Lebt es noch? Wir fahren zurück um uns zu vergewissern, dass es nicht tot ist. Nachdem wir aus dem Auto ausgestiegen sind, nähern wir uns vorsichtig dem Tier. Aus der Nähe wird uns das Ausmass meiner Entscheidung bewusst: Das Tier ist tot, aufgeplatzt und verendet liegt es auf der Strasse. Sein robuster Panzer konnte den Rädern unseres Pajaritos nicht trotzen…

Die nächsten Stunden bis nach El Calafate ist es still in unserem Auto. Nachdenklich und in uns gekehrt versuchen wir das Passierte zu verarbeiten. So viele Fotos haben wir von diesen interessanten und bei uns völlig unbekannten Tier gemacht. Wir können uns genau erinnern, wie wir uns gefreut haben, als wir zum ersten Mal ein Gürteltier gesehen haben…

In El Calafate angekommen, machen wir ein paar Besorgungen. Der Ort ist im Zentrum sehr gepflegt und man kann von weitem sehen, welches die wichtigste Einnahmequelle dieser aufblühenden Kleinstadt ist. Unweit von El Calafate entfernt liegt einer der wichtigsten Nationalparks Argentiniens mit seinem riesigen Gletscher Perito Moreno. El Calafate ist schön, aber total überteuert und es scheint, als gäbe es keinen einzigen Einwohner in dieser Stadt, der nicht direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig ist. Der Name dieses Orts stammt von einer Blaubeerpflanze, die in ganz Patagonien anzutreffen ist.

Nachdem wir unsere Einkäufe erledigt haben, fahren wir in den Park. Die Sonne ist bereits untergegangen und es fängt an zu regnen. Der Parkeingang ist offen und unbewacht. Am Ende des Parks befindet sich ein grosser Parkplatz, wo tagsüber die Touristenbusse parkieren. Wir machen es uns im Auto gemütlich und verzichten ausnahmsweise auf unser Dachzelt… denn gleich neben unserem Auto steht ein grosses Schild, auf dem drauf steht: No Acampar. Die ganze Nacht durch hören wir vom nahe liegenden Gletscher ein lautes Knarren, Knacken und Brechen von Eisbrocken. Wir sind ganz allein und geniessen es, so nahe an einem solchen Naturphänomen zu sein. Am nächsten Morgen stehen wir um kurz vor 5.00 Uhr auf. Wir steigen die Holztreppen hinunter und können in der Dunkelheit die Umrisse des riesigen Gletschers erkennen. Die Morgendämmerung gewährt uns immer mehr Einblicke in die unglaublich imposanten Eismassen. Um 6.30 Uhr ist es dann soweit: wir können den Gletscher in seinem ganzen Ausmass bestaunen und lauschen gebannt den Geräuschen, der vor sich herrutschenden Eislawinen. Der linke Teil des Gletschers läuft bereits wieder auf Festland und staut das Wasser im westlichen Teil des Lago Argentino vom östlichen Teil. Die Wasserstände sind deshalb verschieden hoch.

Doch die Zeit der Einsamkeit dauert nicht lange und die ersten Touristenströme ziehen an. Von den unheimlichen Geräuschen kann man nur noch wenige vernehmen, man hört fast nur noch Menschenstimmen… Zeit zu gehen, sagen wir uns, und deshalb verlassen wir den Park wieder.

Wir fahren nordwärts zu dem Ort Perito Moreno, der von dem Gletscher Perito Moreno mehr als 700 Kilometer entfernt ist. Zwischendurch übernachten wir in der patagonischen Steppe. Am nächsten Tag verlassen wir mit Perito Moreno Argentinien und fahren eine schlechte Strasse über einen Pass, dem Lago Buenos Aires – oder wie die Chilenen ihn nennen: Lago General Carrera - entlang nach Chile.

Andrea schreibt:

Vor uns liegt die weltbekannte Carretera Austral, die Strasse wird in jedem Reiseführer als spektakuläre Schotterpiste in allen Farben beschrieben. Wir sind wirklich gespannt und freuen uns riesig auf die nächsten 1000 Kilometer. In Coihaique, dem hübschen Touristenort treffen wir am Wahlsonntag auf Irene und Gerard. Die Beiden haben fünf Wochen mit uns auf der Grimaldi verbracht und schon viele Länder gesehen in der kurzen Zeit. Als wir uns auf der Plaza de Armas (Waffenplatz, Zentrum fast jeder chilenischen Stadt) voneinander verabschieden, umkreisen uns weisse Pick-Up’s mit wehenden weissen Fahnen, rufen freudig - Bachelet presidenta! Mit der ersten weiblichen Präsidentin sind uns die Chilenen doch schon etwas voraus.

Die nächsten Tage verbringen wir grösstenteils mit der Suche nach einem Rastplatz. Die Landschaft auf der Carretera Austral entschädigt zwar für die Strapazen, doch sind wir trotzdem enttäuscht. Praktisch jeder Meter ist umzäunt, als wir an einem Ort an der Strasse rasten wollen, kommt eine einheimische Frau und will von uns allen Ernstes 10 CHF, damit wir eine halbe Stunde auf ihrem Land stehen dürfen. Die Chilenen scheinen sogar schon hier die Nase voll von Touristen zu haben. Die Preise, die man hier für Campingplätze verlangt, lassen uns die Haare zu Berge stehen, zumal die Qualität und Sauberkeit der Plätze wirklich zu Wünschen übrig lässt.

Wir durchqueren den Nationalpark Queulat, einen undurchdringlichen Dschungel mit hohen Gletscherbergen. Dort machen wir eine zweistündige Wanderung durch die eigenartige Vegetation und sehen viele Kolibris. Am Canal Puyuguapi finden wir dann endlich einmal einen Ort, der es wert ist, ein paar Tage zu bleiben und unsere Angelrute etwas auszuwerfen. Am ersten Abend versenkt Martin innert weniger Minuten drei Köder, kehrt enttäuscht zum Rastplatz zurück.

Für den nächsten Morgen steht also noch eine zweite Angelsession an. Wir stehen um fünf Uhr morgens auf, um die ersten Fische zu erwischen. Doch auch jetzt sind wir nach 15 Minuten köderlos und leider auch noch ohne Fisch. Martin entschliesst sich, ins nächste Dorf zu fahren, um sich neue Köder zu besorgen. Nach langem Suchen findet er dann das Gesuchte und taucht hoffnungsvoll bei mir auf. Endlich haben wir Glück, nach einer Minute kämpft Martin um Leben und Tod… des Fisches… und gewinnt. Einen 60 Zentimeter langen, wunderschönen Lachs hat er an der Angel. Es ist ein tolles Gefühl, einmal selber für das Abendessen zu sorgen. Das wird jedenfalls ein richtiger Gaumenschmaus.

Trotz dem schönen Erlebnis am Canal Puyuguapi verlassen wir die Carretera Austral. Die Strasse, die als tolles Fahrerlebnis angepriesen wird, stellt sich nur noch als miserabel unterhaltene staubige Schotterpiste heraus, mit grossen Schlaglöchern und Wellblech, an der man kaum einen Platz zum rasten findet und falls ja, ist er mit Müll bis auf jeden Zentimeter verunstaltet. Was noch dazu kommt, sind die unmenschlichen europäischen Benzinpreise, die unser Tagesbudget bis aufs Letzte strapazieren. Wir haben ausserdem noch einen grossen Plan, unseren Pajarito in Bariloche (Argentinien) umzubauen, einiges an unserem Reisevehikel zu verbessern.

So überqueren wir bei Trevelin mal wieder die Grenze und kehren zurück in unser Lieblingsland Argentinien. Bereits bei den Grenzformalitäten fällt uns die Freundlichkeit und Offenheit der Argentinier wieder auf. Hier fühlen wir uns gut aufgehoben.

Martin schreibt:

Chile haben wir mit gemischten Gefühlen verlassen. Fasziniert von den unglaublich schönen Landschaften, enttäuscht von der Unfreundlichkeit der Leute. Alles zu schreiben würde diesen Reisebericht nur in die Länge ziehen, aber wir wissen jetzt vielleicht, wieso Argentinien, Bolivien und Peru keine guten Beziehungen zu diesem Land pflegen.

Argentinien hat uns mit offenen Armen empfangen und wir freuen uns, dass wir durch den Land Rover Club Argentinien (www.landroverclub.com.ar) eine gute Adresse für unseren geplanten Umbau in Bariloche gefunden haben. Paula Gringberg, ein Mitglied des Forums hat uns eingeladen, bei ihr im Geschäft vorbeizuschauen, damit wir in Bariloche einen guten Schreiner und Ort zum Arbeiten finden würden. Die nächsten paar Tage verbringen wir in El Bolson, der Hippiehaupstadt Argentiniens und geniessen es, wieder ein paar Worte mit inländischen Touristen zu wechseln. Der Ort, in dem wir vor drei Monaten waren, ist nicht wieder zu erkennen. Es ist Hauptsaison in Argentinien und sämtliche Plätze sind bis auf den letzten Quadratmeter ausgefüllt. Die darauf folgenden Tage widmen wir unsere ganze Zeit der Planung unseres Umbaus. Es wird gemessen und gerechnet, Ideen werden aufgetürmt und schlussendlich haben wir ein zwanzigseitiges Heftchen zusammengestellt. Alle Masse sind feinsäuberlich im Massstab 1:10 eingezeichnet. Wir möchten kein Risiko eingehen und somit alle Missverständnisse aus dem Weg räumen, indem wir von allem eine Skizze anfertigen. Jetzt sind wir für unseren Umbau bereit und wir können es kaum abwarten endlich loszulegen und anfangen zu schrauben.

In Bariloche besuchen wir dann auch gleich Paula. Sie gibt uns die Adresse eines deutschprachigen Carpintero (Schreiners) und telefoniert einem Bekannten, der einen Campingplatz hat, um zu fragen, ob wir zwei Wochen dort arbeiten dürfen. Alles kein Problem – Listo. Andrea und ich machen uns sogleich auf um unsere Bestellungen aufzugeben und alles klappt wie am Schnürchen. Holz wird millimetergenau geschnitten, Sitzkissen erledigt ein Schneider – wir müssen nur noch warten, bis wir das ganze Material geliefert bekommen. Als wir in Richtung Campingplatz fahren, wollen wir uns doch noch versichern, ob es nicht noch einen besseren Ort gibt, um die ganzen Arbeiten zu erledigen. Wir stellen uns vor, dass wir auf dem Campingplatz ein wenig stören und ausserdem wollen wir auch nicht allzu grosse Aufmerksamkeit erregen. An einer Bucht in der Nähe der Colonia Suiza finden wir dann gut geschützt hinter vielen Sträuchern und Bäumen einen traumhaften Platz direkt am Strand. Für uns ist klar, dass wir an diesem Ort bleiben wollen. Es ist absolut windstill, das Wasser glasklar und weit und breit keine Menschenseele. Uns ist noch jetzt ein Rätsel, dass fast niemand diesen Platz kennt, sind doch alle Strände am Lago Nahuel Huapi zur Hauptsaison rammelvoll.

Die nächsten zwei Wochen sind geprägt von harter Arbeit. Wir merken, dass wir es nicht mehr gewohnt sind, von früh bis spät zu arbeiten. Jeden Abend fallen wir völlig fertig in unser Bett und am anderen Morgen in aller Herrgottsfrühe geht’s wieder weiter.

Der letzte Tag bricht an und wir sind mit dem Ergebnis überglücklich. Obwohl es noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen gibt, wollen wir den Ort verlassen. Andrea hat sich zwei Wochen lang nicht von diesem Ort entfernt, da wir unser ganzes Material aus dem Auto ausgeräumt haben. Besorgungen machte in dieser Zeit nur ich, sie blieb zurück und bewachte unser Equipment, arbeitete weiter.

Es ist Samstag und wir verlassen unser schönes Plätzchen am Lago. Zwei Wochen lang wolkenloser Himmel und beim Tag unseres Abzugs zieht zum ersten Mal ein Gewitter auf. Der Platz hat uns nur Glück gebracht…

Wir finden, dass die Chilenen noch eine Chance verdient haben und überqueren bei Villa la Angostura den Grenzübergang nach Chile. In Valdivia, einer Stadt in Pazifiknähe besorgen wir uns die chilenische Touristenbibel Turistel. Ohne Reiseführer zu reisen ist ein wenig mühsam, vor allem weil die Touristenbüros nur Informationen der umliegenden Regionen haben. Mit zwei handlichen Büchern ausgerüstet fühlen wir uns nun fit für Chile. In Villarica besuchen wir den noch aktiven Vulkan Villarica im umliegenden Nationalpark. Schon von weitem kann man den Rauch, der aus dem Krater des Vulkans steigt, sehen. Am Kraterrand soll man sogar Magma im Innern des Kraters erkennen können. Eine heftige Eruption riss im Jahr 1971 eine vier Kilometer lange Kluft und liess 30 Millionen m3 Lava entweichen. Ein Lavastrom floss 14 Kilometer weit bis zum Rio Challupén.

Von diesem Naturwunder beeindruckt, machen wir uns auf in Richtung Pazifik. Unser Turistel berichtet von einer schönen Küstenstrasse, die bei Chillan beginnt und im Surferparadies Pichilemu endet. In Cobquecura, einem idyllischen Fischerdörfchen an dieser Ruta del Mar treffen wir auf eine Seelöwenkolonie. Unzählige Bullen kämpfen um die begehrten Plätze an der Spitze der zwei Felsen, die aus dem Wasser ragen. Ab und zu bricht eine riesige Welle am Rifffelsen und katapultiert ein paar Löwen meterweit vom Fels in die Fluten.

Andrea schreibt:

Vor uns liegt die piedra de la iglesia, eine eindrucksvolle Höhle, vom Meerwasser durchspült. Hier ist das Wasser eisig kalt, denn die Sonne findet kaum noch einen Weg durch die Dunkelheit des Höhlenlabyrinths. Draussen tost die See und peitscht die Wellen meterhoh an Land.

Wir fahren weiter und die Strasse ist wirklich schlecht und dreckig, jeder Baum und Strauch am Strassenrand ist von einer braunen, hauchfeinen Staubschicht überzogen. Hier scheint es im Sommer kaum zu regnen, worüber wir uns freuen. Der Weg führt vorbei an verschlafenen Fischerdörfchen, hin und wieder einem Touristennest und tonnenweise Campingplätzen. Doch was die Leute hier unter Zeltplatz verstehen, ist für uns wirklich kein Vergnügen. Wir sparen uns das viele Geld lieber und steuern eine schöne, einsame Meeresbucht an. Ein schmaler Pfad führt steil nach Unten, an den Strand, und wir sind froh, so schnell ein schönes Plätzchen gefunden zu haben. Doch zu früh gefreut, der Sand ist so fein wie Staub, und kurz vor unserem Ziel versinkt unser Pajarito hoffnungslos in den Sandmassen.  Da helfen nur noch Sandbleche. Nach einer Stunde „sandblechlen“ sind wir endlich an der gewünschten Stelle, 50 Meter vom Ort der Verheerung entfernt. Hier bleiben wir gleich zwei Tage, um Kräfte zu sammeln, für den beschwerlichen Aufstieg, denn es gibt nur einen Weg zurück, mitten durch das Gemüse. Für den Rückweg brauchen wir dann gleich doppelt so lange und müssen die Luft fast bis auf die Felgen aus den Reifen lassen. Gut für uns, denn jetzt haben wir mal wieder eine Offroaderfahrung mehr und fragen uns ernsthaft, wie wir jetzt noch Gewicht reduzieren können, wo wir doch beim Umbau schon so einiges weggeworfen haben.

Der Küste entlang sehen wir kilometergrosse Pinienplantagen, in diesem Teil Chiles scheint sich die gesamte Holzindustrie ausgebreitet zu haben. Riesengrosse Holzverarbeitungskomplexe, hunderte Camiones, die Tonnen von Holz zur Fabrik transportieren, kreuzen unsere Wege. Die einzige grosse Stadt in der Nähe heisst Constitucion, oder früher Nueva Bilbao, mit einem bestialisch stinkenden Hafen und Menschen, die in absoluter Armut leben. Überhaupt hinterlässt Chile seltsame Bilder in uns. Vom schicken Touristenmekka bis zur absolut unterentwickelten und heruntergekommenen Grossstadt findet man alles in diesem Land. Die Menschen, die hier leben scheinen jeder Illusion beraubt worden zu sein. An der Tankstelle lässt sich ein kleiner Junge einen halben Liter Diesel in eine Petflasche abfüllen, weil das hier das Billigste zum Schnüffeln ist und fragt Martin nach einer Plastiktüte. Mit ein paar bunten Häusern versuchen  sich die Menschen das unerträgliche Leben etwas schöner zu gestalten. Davor haben wir riesengrossen Respekt und trotzdem verlassen wir fast fluchtartig den stinkenden Moloch. Man fühlt sich hier das erste Mal in Chile ins richtige Südamerika katapultiert.

Weiter nördlich ist das Bild immer wieder das Gleiche. Stinkende Touristenorte, die in wenigen Jahren aus dem Nichts hochgezogen wurden. Bretterbuden werden als schöne Cabañas oder Ferienwohnungen angepriesen und teuer vermietet. Uns kommt es vor, als befänden wir uns in den Favelas von Rio, doch die Leute scheinen für Urlaub in solchen Orten gerne zu bezahlen. Eigentlich wollten wir noch weiter dem Pazifik entlang nach Norden scheppern, doch wir entscheiden uns, das Meer hinter uns zu lassen und die Hauptstadt Chiles, Santiago de Chile zu erkundschaften.

So kehren wir wieder zurück auf die teure Autobahn, fühlen uns wieder wie in der Schweiz und vergessen schon fast, was für ein Bild sich uns in Constitution geboten hat.

Es ist Samstag und die perfekte Tageszeit, um nach Santiago zu fahren, denken wir zumindest. Was den Verkehr angeht, so haben wir  richtig getippt, denn im Nu sind wir im Zentrum der Stadt und bestaunen die Plaza de Armas im Vorbeifahren. Jetzt nur noch ein bewachtes Parkhaus und los geht die Sightseeing Tour. Wir verbringen geschlagene zweieinhalb Stunden mit der Suche nach einem zentral gelegenen Estacionamiento. Doch hier ist das Wochenende noch ein Heiligtum und alles hat geschlossen. Die wenigen Parkhäuser, die heute offen sind, sind viel zu niedrig oder einfach zu unseriös. Endlich finden wir etwas, und es ist sogar perfekt. Mit unserem neuen Innenausbau brauchen wir uns jetzt nicht mehr in einem teuren Hotel einzuquartieren, denn ab jetzt schlafen wir auch Drinnen wie die Götter.

Zwei Freunde, die wir auf der Reise kennen gelernt haben, verbringen heute zufälligerweise ihren letzten Tag auf dem südamerikanischen Kontinent. Iwan und Anita fliegen morgen nach Sydney und für alle ist klar, dass der Abschied gehörig gefeiert werden muss. So führen uns die beiden ins Ausgangsquartier und wir haben einen richtig spassigen Abend. Nur der Abschied ist für alle dann etwas seltsam, wo wir doch wissen, dass wir uns jetzt sicher ein zwei Jahre nicht mehr sehen werden.

Am nächsten Morgen werden wir früh aus den Federn geholt, denn der Parkwächter hat wohl Angst, dass seine Ablösung etwas gegen unseren Aufenthalt im Estacionamiento haben könnte. Schon um Acht startet also die Stadtbesichtigung. Wir staunen über das piekfeine Stadtzentrum, alles ist sauber, aufgeräumt, alles hat seine Ordnung. Doch wir fragen uns wirklich, wie es möglich ist, so eine wunderschön gepflegte Hauptstadt zu haben, wo es doch in vielen Teilen des Landes an allem fehlt. Alles Geld scheint hier in die Hauptstadt zu fliessen. Wir fahren mit der Seilbahn auf den Cerro San Cristobal, um eine gute Aussicht auf Santiago zu haben, machen Siesta im Park, geniessen das Stadtleben und die Fussgängerzonen.

Nach zwei Tagen entscheiden wir dann aber doch, weiterzufahren und machen uns auf den Weg nach Valparaiso und Viña del Mar, denn es bleiben uns nur noch ein paar Tage, bis wir uns in Mendoza mit Anita und Roger verabredet haben, um den Besuch von Anitas und Martins Eltern zu planen.

Martin schreibt:

Als wir am Dienstagmorgen in die Hafenstadt Valparaiso hinein fahren, zeigt sich uns ein völlig anderes Bild, als das, das wir am Wochenende in Santiago gesehen haben. Die Strassen sind voller Menschen und überall hat es Märkte und es wird rege gehandelt und Ware angepriesen. Im Zentrum der Stadt befinden sich schöne und gepflegte Gebäude in europäischem Stil. An den Hängen der Stadt kann man überall die Asencores (Aufzüge) erkennen, die die Leute von der Unterstadt auf einen der vielen Hügeln bringen. Beinahe jedes Häuschen ist mit einer grellen Farbe angemalt und man erhält den Eindruck, als würde es hier allen gut gehen. Sicherlich täuscht die Farbe über den wahren Umstand der Menschen hier hinweg, aber dennoch ist die Atmosphäre hier ausgelassen.

Schon nach kurzer Zeit finden wir ein Estacionamiento an der Calle Cochrane, nahe am Zentrum gelegen. Der Besitzer des Parkplatzes lässt uns bei ihm übernachten und freut sich angeblich über den Besuch aus der Schweiz. Andrea und ich sind total happy. So einfach können wir nun in den Städten ein paar Tage verbringen, ohne jedes Mal eine Uebernachtunsmöglichkeit ausserhalb der City suchen zu müssen. Den ganzen Tag verbringen wir nun mit Stadt erkundschaften, hören gebannt der Stimme eines Strassenmusikanten zu und am Abend fahren wir mit dem berühmten Asencor Artilleria auf einen der vier Paseos und geniessen die Aussicht auf Valparaiso.

Der nächste Tag bricht an und wir möchten heute noch die Strecke über den Paso Aconcagua bis nach Uspallata in Argentinien schaffen. Dort verbringen wir zwei Tage bevor wir weiter nach Mendoza fahren, wo wir unser Team Gaucho wieder treffen werden. Es sind mittlerweile schon anderthalb Monate vergangen, als wir sie zum letzten Mal in Ushuaia gesehen haben. Wir freuen uns riesig, sie wieder zu sehen und natürlich auf die Geschichten, die sie uns zu erzählen haben.