nichtswieweg... vier Abenteurer unterwegs

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Bolivien – Im Land der Kontraste
Reisebericht vom 20.09.2006 bis 16.10.2006, Ost-Bolivianisches Tiefland
Highlights: San Matias, San Ignacio de Velasco, Jesuitendörfer von Chiquitanía, Samaipata, El Fuerte de Samaipata, Che-Guevara Route, La Higuera, Sucre

Mit drei Monaten Aufenthaltsgenehmigung begrüssen uns die freundlichen Zollbeamten in Bolivien und haben somit gleich bei uns einen Stein im Brett. Bei soviel Zeit kann das Land natürlich etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Aber bis wir erstmals in die Zivilisation gelangen, heisst es ein paar hundert Kilometer entlang der Schmuggel-Piste nach San Ignacio zu fahren. Wir erkunden die Missionsdörfer in der Chiquitanía, besuchen die präinkaische Ruine «El Fuerte de Samaipata», fahren entlang der «Che-Guevara Route» wobei es da unerhofft zu einem kleinen Landytreffen kommt. In Sucre spannen wir etwas aus und bereiten uns langsam auf das Altiplano (Hochland) vor.

Wir sind dabei, drei Monate dürfen wir in Bolivien bleiben

Kaum haben wir brasilianisches Territorium verlassen endet auch die schöne Asphaltstrasse. Bevor die Tafel mit «Bienvenidos en Bolivia» erscheint schüttelt es uns kräftig durch und wir fahren wieder auf einer Erdpiste. Da müssen wir also richtig sein. Wir suchen in San Matias als erstes die Immigration (Einreisebüro) auf, welche jedoch gerade geschlossen hat, wie wir erfahren. Also ändern wir unseren Plan und machen uns auf zum Projekt «Tanken». Aber das ist nicht so einfach, schliesslich haben wir noch kein bolivianisches Geld. Wir fragen uns durch wo wir „Monedas“ wechseln können, aber auch die offiziellen Wechselstuben machen gerade Pause. Ein Bolivianer kommt auf uns zu und meint, er würde uns Dollars wechseln. Zusammen gehen wir in ein Hinterstübchen und erledigen das Geschäft. Also geht doch, jetzt ab zur Tankstelle. Als wir die Benzinpreise sehen müssen wir nochmals rechnen ob das wirklich stimmt. Der Liter kostet hier umgerechnet CHF 0.60, tags zuvor tankten wir in Brasilien noch für CHF 1.90. Wir kommen uns wie im Paradies vor und Gaucho ist auch nicht unglücklich, dass er nun ab sofort wieder reinen, ohne Alkohol beigemischten Sprit erhält.

Am Nachmittag starten wir der Immigration nochmals einen Besuch ab und siehe da, das Büro ist jetzt geöffnet. Mit einem Handschlag begrüsst uns der Beamte und fragt uns dann gleich, wie lange wir hier bleiben möchten. Drei Monate, schoss es uns aus dem Mund. «Was wollt ihr drei Monate in Bolivien?», fragt er uns erstaunt. Er schaut in seiner Tabelle nach und sagt: «Schweizer erhalten normalerweise nur einen Monat Aufenthalt.» «Aber Bolivien ist doch so schön und gross und…», entgegnen wir. «OK, ihr bekommt ja drei Monate.» Super gelaufen, frohen Mutes machen wir uns auf zum Zollbüro für die Autopapiere. Verschlossene Türen finden wir auch diesmal wieder vor. Aber jemand klärt uns auf, dass wir in einer Stunde, so gegen 15. Uhr wieder kommen sollen. Gesagt, getan und da treffen wir dann sogar auf einen Arbeitswilligen. Hier wird die Erlaubnis für die drei Monate Aufenthalt etwas schwieriger aber nach einigem hin und her knallt auch er uns die drei Stempel aufs Papier. Wir sind geschafft vom Behördenkram, Ausreise Brasilien und Einreise Bolivien dauert ein ganzer Tag. So bleiben wir die eine Nacht noch in dem Grenzdorf San Matias bevor es dann weiter nach San Ignacio de Velasco gehen soll.

Schlechte Strassen und Militärkontrollen am Laufmeter

Morgens um 07.00 Uhr sind wir schon abfahrbereit, schliesslich haben wir heute eine lange Strecke vor uns und wir kennen die Strassenverhältnisse nicht genau. In San Matias klärte man uns auf dass sie «feo» (hässlich) sein würde, aber was heisst das genau? Wir erfahren es bald, unsere Lieblingspisten, Wellblech und das für die nächsten 360km bis nach San Ignacio. Unser durchschnittliches Fahrtempo liegt bei 20kmh, nur bei wenigen Ausnahmen können wir etwas mehr aufs Gaspedal drücken. Die Landschaft ähnelt stark der von Brasilien oder besser gesagt dem vom Pantanal, man kann immer noch viele Vogelarten von der Strasse aus sehen. Aber wir können es nicht wirklich geniessen und zählen jeden gefahrenen Kilometer. Dann folgt als Abwechslung mal eine Polizeikontrolle, dann wieder eine Militärkontrolle wo die Daten registriert werden. Ab und zu müssen wir das Fahrzeug öffnen, Blick hinein und dann kam einmal die Frage; wo wir unsere Waffen versteckt hätten. Nach einigem hin und her erklären wir ihnen, dass wir Touristen und keine Terroristen sind. Das funktioniert, sie lassen uns weiter. Hoffentlich geht das so nicht die ganze Zeit weiter, wehmütig denken wir an Brasilien zurück, wie einfach es doch dort war.

Vergeblich sind wir auf der Suche nach einem Schlafplatz. Im letzten Ort wo es möglich war gefiel es uns nicht und wir wollten weiter, irgendetwas findet sich ja immer. Aber auch der Versuch bei einer Estancia nachzufragen schlug fehl, dicke Vorhängeschlösser verhindern ein Eindringen. So kommt es dass wir im Dunkeln immer noch unterwegs sind. Abends um 22. Uhr sehen wir dann endlich ein paar Lichter und sind so etwas von froh, endlich wieder irgendwo Zivilisation anzutreffen. Todmüde erblicken wir dann von weitem aber schon wieder einen Schlagbaum, Polizeikontrolle. Es ist uns egal, wir wollen einfach nur weiter. Dort begrüsst man uns dann mit der freudigen Nachricht, ihr dürft rein nach San Ignacio, aber ansonsten sind alle weiteren Ausgänge gesperrt, Strassenblockade für die nächsten Tage.

Zwangspause in San Ignacio

Eine Aufmunterung haben wir jedoch in San Ignacio und das ist die „Casa Suiza“. Auf ihrer Parkeinfahrt dürfen wir campen. Eine sehr liebe bolivianische Familie führt die kleine Pension. Doña Selva verwöhnt uns mit ihrer leckeren Küche und so sind die Strapazen der letzten beiden Tage schnell vergessen. Auf Anhieb fühlen wir uns dort sehr wohl und so fällt uns das Ausharren auch nicht schwer. Nachmittags kocht sie extra eine grosse Kanne Kaffee und dann wird über alles Mögliche getratscht. Vor allem amüsierte sie sich über unser Portoñol (Mix Spanisch und Portugiesisch) und konnte sich jeweils ein Lachen nicht verkneifen. Aber nach ein paar Tagen waren wir wieder im alten Trott. In der Casa Suiza lernten wir zudem auch einen Mitarbeiter des Sanitario kennen. Er klärte uns über die vielen Polizei- und Militärkontrollen in dieser Gegend auf. Es wäre eigentlich nur auf dieser Strecke und da diese so nah der brasilianischen Grenze entlang führt wird sie vielfach für Schmuggel-Transporte genutzt. Zudem habe man tags zuvor drei Drogentransporte aufgedeckt, weshalb die Kontrollen etwas verschärft wurden. Das muntert uns auf und er sollte damit auch Recht behalten. Nach drei Tagen Wartezeit wurde die Strasse wieder freigegeben und wir konnten weiter.

Rundfahrt durch die Missionsdörfer in der Chiquitanía

Die bolivianischen Jesuitenreduktionen sind im Vergleich zu anderen Ländern wirklich sehr schön. Vielfach wurden sie neu restauriert und werden heutzutage immer noch für Gottesdienste genutzt. Uns gefallen diese Kirchen und deshalb starten wir zur Rundfahrt. Wir besichtigen die erste Jesuitenreduktion in Santa Ana, fahren dann weiter nach San Miguel und kehren via San Rafael nach San Ignacio zurück. Eine Kirche sieht imposanter aus als die andere und wir können uns nicht entscheiden, welche uns nun am Besten gefällt. Auf dem Weg nach Santa Cruz passieren wir Concepción, welche auch eine dieser Reduktionen besitzt und endlich wird uns nun die Entscheidung abgenommen. Beide sind wir uns einig, hier haben wir die Schönste für uns gefunden.

Volles Programm in Santa Cruz

Bei unserem Landy steht mal wieder ein Ölwechsel an welchen wir in Santa Cruz machen möchten. In einem kleinen Ort kurz vor der Stadt werden wir fündig und gehen in eine der unzähligen «Lubricantes». Während das Öl gewechselt wird sitze ich draussen und beobachte einwenig die Leute. Da fahren immer wieder Mennoniten mit ihren Pferdewagen vorbei und haben riesige Fässer aufgeladen. Es ist schon mal interessant überhaupt solche Leute zu sehen. Ich komme mir wie im Film „unsere kleine Farm“ vor, genauso sind sie auch etwa angezogen. Die Männer alle im Blaumann, Hemd und Panama-Hut, die Frauen in ihren langen, altertümlichen Röcken und strengen Frisuren. Wieder fährt ein Wagen an uns vorbei und auch sie können den Blick nicht von uns oder besser dem Landy abwenden. Wahrscheinlich müssen sie denken aus welchem Zeitloch wir den hergekommen sind. Ich frage eine Bolivianerin weshalb die alle Fässer auf ihren Pferdewagen transportieren. «Sie sind auf der Suche nach Diesel», erklärt sie. Diesel? «Ist das ein Problem hier?» – «Ja», meint sie, «momentan herrscht in der ganzen Region Diesel-Knappheit, wegen eines Abkommens mit Argentinien.» – «Wie sieht es denn mit Benzin aus?» – «Kein Problem.» Tatsächlich sehen wir bei vielen Tankstellen die Schilder – No hay Diesel (kein Diesel).

Wir fahren in die Stadt hinein auf der Suche nach einem Supermarkt. Die letzten paar Tage haben wir jeweils bei Marktständen eingekauft, weil es sonst gar keine andere Möglichkeit gibt. Aber für einen Grosseinkauf wäre ein solcher Laden schon perfekt. Wir werden fündig. Roger bleibt im Auto, ich gehe shoppen. Ich traue meinen Augen nicht, alles importierte Produkte von Argentinien, aber um die Hälfte billiger. Mein Einkaufswagen füllt sich immer schneller mit Mate, Terma und vielen Süssigkeiten, welche wir den Kindern hier verteilen. Meinen Einkaufsrausch beende ich erst als der Wagen einzustürzen droht. Zwei Männer begleiten mich nach draussen und wollen beim Einräumen helfen. Roger ahnt schon Böses: «Wo willst du das alles verstauen?» Aber wir sind mittlerweile Packweltmeister und alle etwa 30 Tüten finden einen Platz im Auto. In Santa Cruz selber möchten wir eigentlich nicht bleiben und fahren am gleichen Tag wieder hinaus. Uns ist es im Tiefland sowieso zu heiss und wir möchten endlich hinauf in die Berge, wo wir uns Abkühlung erhoffen.

Besichtigung der präinkaischen Festung «El Fuerte de Samaipata»

Langsam schlängeln wir uns den Berg hinauf und fahren zum Bergdorf Samaipata, wo wir die Festung «El Fuerte de Samaipata» besichtigen möchten. Über eine steile Schotterpiste gelangen wir zur Ruine, wo uns in heftigen Böen der Wind um die Ohren pfeift. Wir schnüren die Wanderschuhe an und machen uns auf zum Rundgang. Man vermutet, dass diese Ruine von den Inkas genutzt wurde bevor sie von den starken Guaranís geschlagen und vertrieben wurden. Auf halbem Weg lernen wir ein argentinisches Pärchen kennen. Schnell kommen wir ins Gespräch und nach wenigen Minuten folgt dann auch gleich eine Einladung zum Asado. «Wenn ihr auf dem Rückweg seid», meinen sie augenzwinkernd. Das werden wir bestimmt machen. Zwei Stunden später erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt und fahren zurück ins Dorf. Bei der Finca „la Vispera“ gibt es einen herrlichen Platz zum Campen und so verbringen wir gleich zwei Tage dort.

Auf den Spuren des grössten südamerikanischen Revolutionären «Ernesto Che Guevara»

Wir sind uns noch nicht schlüssig welche Route wir genau weiterfahren sollen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten um nach Sucre zu gelangen. Eine davon wäre die «Che Guevara Route». Auf dieser Strecke fährt man an bestimmten Orten vorbei, wo Che vor 40 Jahren als Revolutionär tätig war, und zusammen mit einer 40igköpfigen Guerilla-Truppe und Unterstützung der Minenarbeiter versuchte, Bolivien vom US-Imperialismus zu befreien. Wir sprechen mit einem holländischen Pärchen welche schon seid Jahren in Bolivien lebt. «Ihr müsst unbedingt diese Che-Strecke fahren, das ist die Schönste von ganz Bolivien», schwärmen sie uns vor. Also gut, sie nehmen uns die Entscheidung ab und wir starten unseren Trip.

Hoch geht’s hinauf in die Berge und bei Vallegrande legen wir unseren ersten Stopp ein. Hier liegt das ehemalige Grab von Che und einiger seiner Mitkämpfer, welches nun zu einem Mausoleum umfunktioniert wurde. Seine Gebeine wurden dann 1997 von Bolivien an Kuba übergeben. Auf dem Dorfplatz von Vallegrande machen wir kurz Rast als plötzlich jemand an unsere Tür klopft und uns auf Deutsch anspricht. Wir steigen aus und sehen, dass hinter unserem Landy gleich noch zwei weitere Landys stehen, beides 109er. Das ist natürlich eine willkommene Abwechslung und wir sind begeistert von dem spontanen Landy-Treffen. Die Gruppe von Landy-Tours (www.landy-tours.com) sind uns sofort sehr sympathisch und als wir merken, dass wir den gleichen Weg vor uns haben, verabreden wir uns später im winzigen Dörfchen La Higuera. Zuvor möchten wir noch kurz das Mausoleum von Che besichtigen und dann dort hinauffahren. Vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir dann unseren Treffpunkt. Im Dorf mit nur etwa 50 Einwohnern gibt es keinen Strom und somit auch kein Licht. Aber eine herzige Posada (Casa de la Telegrafista), wo die Zimmer mit Kerzen beleuchtet werden und man wirklich romantisch nächtigen kann. In gemütlicher Candlelight-Atmosphäre geniessen wir einen unterhaltsamen Abend.

Am nächsten Tag besuchen wir die ehemalige Schule (welche mittlerweile in ein Museum umgewandelt wurde) in La Higuera, wo Che am 09. Oktober 1967 erschossen wurde. Wir waren ein paar Tage vor seinem 39. Todestag dort. Am obgenannten Tag soll das friedliche Dorf von unzähligen Pilgern heimgesucht werden. Vor seiner Statue beginnen wir dann mit unserem Foto-Shooting, alle drei Landys in richtiger Position werden von allen Seiten abgelichtet. Dann geht die Fahrt im dreier Konvoi weiter. Die Landschaft ist unbeschreiblich und für eine kurze Strecke fahren wir sogar auf einem Bergkamm entlang. Links geht’s hunderte von Meter steil runter, rechts dasselbe Bild. Ein Wahnsinns-Gefühl. Von über 3000m geht’s wieder abwärts auf 800m, dann wieder steil hinauf. Wir bringen unsere Landys fast zum Kochen. Die ganze Strecke beträgt etwa 80km und wir erreichen den nächst grösseren Ort «Villa Serrano» erst bei Dunkelheit. Es wird erneut ein geselliger Abend und wir fühlen uns wohl inmitten der Landy-Freunde. Am nächsten Tag heisst es dann leider Abschied nehmen, unser Weg geht nun weiter nach Sucre, Landy-Tours sind auf dem Rückweg, nach Paraguay (lieber Enten-Eckhard, Walter, Joachim, Maricarmen und Bärli, es waren tolle zwei Tage mit euch, wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen, vielleicht in Paraguay oder ansonsten zu Hause).

Wieder alleine unterwegs fahren wir weiter nach Sucre, Boliviens Hauptstadt. Auch hier ist die Landschaft wieder einzigartig, aber es wird einem auch bewusst, wie arm dieses Land wirklich ist. Einfache Lehmhütten, die Menschen haben nicht viel zum Überleben.

Sucre ist da wie eine kleine Oase, hier bleiben wir. Während knapp einer Woche erholen wir uns und können uns auf der angenehmen Höhe von 2800m anklimatisieren, bevor es hinauf auf über 4000m geht.

Da es uns in Bolivien so gut gefällt und wir mittlerweile schon fast zwei Monate hier sind, wird der Bericht aufgesplittet. Teil II – Sucre bis nach La Paz folgt demnächst.